Dosenpfirsiche und Apfelmus
- lara
- 29. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Mir wurde einmal gesagt, dass Belgien das langweiligste Land der Welt wäre. Auch wenn ich das damals nicht glauben wollte, habe ich meiner Zeit hier doch mit einer gewissen Skepsis entgegen geschaut; Belgien ist nun einmal nicht Namibia. (Habe außerdem in einem Reiseführer gelesen, dass Charleroi, die Stadt, die mir am nächsten ist, die hässlichste Stadt Europas sein soll)
Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass Belgien wohl doch nicht das langweiligste Land der Welt ist; dafür hat es viel zu viele Eigentümlichkeiten… was Charleroi angeht, bin ich mir nicht so sicher - aber hässlich ist auf jeden Fall interessanter als langweilig.
Warum ich euch all das erzähle? Irgendwo muss ich (nach meiner zu langen Abwesenheit) schließlich anfangen und warum nicht bei genannten Eigenheiten des Lebens in Belgien? Genaugenommen soll es in diesem Blogeintrag um das eine, in den meisten Ländern, allesbestimmende Thema gehen:
Wie und was essen die Belgier*innen?
Man könnte jetzt sagen: einfach Frage mit einfacher Antwort: Pommes, Waffeln und Schokolade.
Was wenn ich euch aber sage: Apfelmus und Dosenpfirsiche in abenteuerlichen Zusammenhängen, belgische Pizza, Spekulatius in- und Mayo zu allem?
Schnallt euch an, es wird wild.
das Brot
Wenn man mich fragt, was ich essenstechnisch am meisten von zuhause vermisse, sage ich meisten das Brot. (und ich sage das nicht nur, weil ich in einer Bäckerei gearbeitet habe). In Belgien isst man fast ausschließlich Weißbrot. Ab und zu enthält das Brot etwas Vollkornmehl und gilt dann als 'pain gris', also graues Brot, aber ein richtiges Bauernbrot oder Körnerbrot, wie ich es aus Deutschland kenne, habe ich hier noch nirgends gesehen. Und glaubt mir, es wird eine Menge Brot gegessen. (Jeden zweiten Tag bringt Monsieur du Pain (die Kinder nennen ihn so, das ist nicht sein richtiger Name!) mindesten drei oder vier ganze Brote vorbei.
Spekulatius
Als ich im Januar hier angekommen bin, wurde im Haus viel Spekulatius gegessen. Klar, wir hatten noch viele Süßigkeiten von Weihnachten übrig, war also nichts Besonderes. Nur musste ich mit der Zeit feststellen, dass sich der Spekulatiuskonsum weder auf die Weihnachtszeit noch auf die standardisierte Keksform beschränkt. Spekulatius (Spéculoos) wird in Belgien das ganze Jahr über auf alle verschiedenen Arten und Weisen gegessen: Spekulatiuseis muss es in jeder guten Eisdiele geben (sogar Hägen-Dasz gibt es mit Spekulatiusgeschmack!), Spekulatiuscreme wird aufs (Weiß)brot geschmiert und vor einiger Zeit habe ich mit den Kindern Spekulatius-Cupcakes gebacken.
Mein persönlicher Favorit: Cheesecake mit Spekulatius-Keksboden
Apfelmus
Solltet ihr jemals runter in die Vorratskammer unseres Hauses schauen, werdet ihr dort auf einen überraschend großen Apfelmus-Vorrat stoßen. Und nein, wir haben nicht zufällig einen Apfelbaum im Garten und wussten nicht wohin mit den Äpfeln. Das Apfelmus wird bei uns regelmäßig gegessen. In großen Mengen. Zu Bratwürsten hauptsächlich. Aber eigentlich generell zu Fleisch.
Ihr habt euch nicht verhört. Eine Mahlzeit, die es nicht selten gibt, besteht aus: Bratwurst, Stampf und Apfelmus. Und das Apfelmus ist nicht eine Soße, von der man ein bisschen auf den Teller tut und dann die Wurst eintaucht. Nein, das Apfelmus ist genauso ein Bestandteil des Gerichts wie der Stampf und wenn dir danach ist, kannst du den Apfelmus-See auf deinem Teller auch gerne mit dem Stampf vermischen.
Thunfisch und noch mehr...
Okay, ihr fandet das schon wild? Es wird noch abenteuerlicher: eine besondere Spezialität, die es bei uns oft am Wochenende gibt und man auch in vielen Fritterien findet, ist ‚Pêches au Thon‘. Pfirsich mit Thunfisch.
Genauer gesagt handelt es sich um einen einfachen Thunfischsalat mit Zwiebeln und Mayo, den man zusammen mit Dosenpfirsichen isst.
Mehr hab ich dazu nicht zu sagen. Ich finde, das spricht für sich und für Belgien. (no judgment!)
Man gewöhnt sich übrigens sehr sehr schnell an seltsame Essenskombinationen.
Mayonnääääääse
Wo wir gerade schon bei Mayo sind; Mayo wird zu allem und mit allem gegessen. Ungelogen, ich übertreibe nicht! Und wenn es wirklich mal ein Gericht geben sollte, wo Mayo nicht dazu passt, dann könnt ihr euch sicher sein, dass trotzdem das Mayoglas auf dem Tisch steht, weil irgendeine Soße braucht man ja für die Pommes.
die belgisch-italienische Küche
Etwas, das mir jetzt schon öfter aufgefallen ist, und mich immer ein bisschen amüsiert, ist die Tatsache, dass sich viele Belgier*innen mit dem guten belgischen italienischen Essen brüsten. Das ist historisch bedingt: zu einem Zeitpunkt, als der französischsprachige Teil von Belgien wirtschaftlich auf seiner Höhe war, sind viele Gastarbeiter*innen auf Suche nach Arbeit in die Wallonie gekommen, darunter viele Italiener*innen. Das hatte zur Folge, dass es noch heute sehr viele, sehr gute italienische Restaurants in Belgien gibt. Ob man aber die bessere Pizza in Charleroi oder Neapel bekommt, wage ich nicht zu beurteilen. Die Frage werde ich an meine italienischen Mitfreiwilligen weitergeben.
Generell betrachtet ist die belgische Cuisine, wie so vieles hier im südlichen Teil des Landes, sehr französisch geprägt. Typisch belgisch ist angeblich auch Chicoree, den gabs hier bis jetzt aber nur einmal. (Man darf aber nicht vergessen, dass ich in einem Kinderheim wohne und esse und Chicoree bei Kinder nicht soo beliebt ist)
Wenn ihr euch jetzt fragt, wo bitte die Pommes, Waffeln, Schokolade und das Bier abgeblieben sind, muss ich euch enttäuschen. Meine Realität besteht aus Apfelmus und Thunfisch.
Nein, keine Sorge. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Ich werde mich in einem anderen Blogeintrag nochmal ausführlicher mit dem belgischen Kulturgut auseinandersetzen… und bis dahin, esst eine Scheibe Fränkischer Krustenlaib für mich mit!
Sehr unterhaltsam geschrieben!
Danke an alle unter euch, die meiner oh so bequemen Faulheit ein Ende gesetzt haben und mich dazu ermutigt haben, mal wieder was zu veröffentlichen. Dieser Blogeintrag ist für euch!