Warum Fahrräder politisch sind
- lara
- 12. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Am Dienstag als Merz im zweiten Anlauf zum Kanzler gewählt wurde, habe ich, noch vor dem zweiten Wahlgang, in mein Tagebuch geschrieben: …heute fehlen Merz sechs Stimmen zur absoluten Mehrheit. Die deutsche Regierung ist momentan klappriger als mein Fahrrad. Das bedeutet: man könnte sie unabgesperrt am Piazza Verdi abstellen und niemand würde sie klauen.
Heute früh muss ich feststellen, dass letzte Nacht jemand auf die Idee gekommen ist, mein Fahrrad zu stehlen und halbwegs aufgegeben hat. Die Gummiumrandung des Schlosses wurde durchtrennt und darunter kommt der noch intakte Draht zum Vorschein.
Ein Aufschrei geht durch die Straßen von Bologna! Empörung und Rage sind die Reaktionen auf diesen skandalösen Akt. Diese Stadt, die so viele Fahrräder verschwinden sieht, hatte bis jetzt ihr schützendes Auge auf meines geworfen.
Ob die Täter*innen letzte Nacht unterbrochen worden sind, oder das falsche Werkzeug mitgebracht haben – ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie im Scheinwerferlicht des vorbeifahrenden Kehrfahrzeugs zum ersten Mal wirklich das Rad gesehen; und festgestellt, dass es ihre Mühen nicht wert ist.
Mein Fahrrad war – genau wie unsere neue Regierung – nicht das, was ich ursprünglich im Kopf hatte. Die nächstbeste Lösung, die man akzeptiert, weil alle anderen Anforderungen unrealistisch gewesen wären. Ich wollte eigentlich ein rosa Fahrrad. Oder ein knallrotes. Stattdessen ist es ein schwarzes geworden.
Ich war mit meinem Fahrrad jetzt schon zweimal in der Werkstatt und in absehbarer Zukunft muss auch die linke Handbremse ausgetauscht werden. Beide Reifen sind platt und meine Lichter wurden vor circa einem Monat geklaut, weshalb ich nur noch tagsüber fahre. Ich bin mittlerweile an dem Punkt angekommen, wo ich vor jeder Anschaffung gründlich abwäge, ob sie sich für zwei Monate noch rentiert. Zucker? Ja. Honig? Nein. Fahrradbremse? Nein. Fahrradlicht? Vielleicht. Ein neues Schloss? Nein, sollen die Narben des bisherigen zukünftige Dieb*innen abschrecken.
Weißer Rauch bitte jetzt! Lara hat sich entschieden. Sie wird ihr Fahrrad dem Lauf der Natur überlassen und nicht mehr intervenieren. Soll es auf der Straße auseinanderfallen! Soll jede Schraube einzeln gestohlen werden, sodass es Nacht für Nacht ein klein wenig mehr verschwindet! Soll die Stadt es einverleiben und für immer in ihren Mechanismus einspeisen.
(Nicht so allerdings unsere Regierung; von dieser erwarte ich vier Jahre, ohne in ihre Einzelteile zu zuerfallen)

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